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Ins Riesengebirge und zu den Felsenstädten von Adersbach und Wekelsdorf

10.06. - 13.06.2004

Eine Reise ins Riesengebirge hatte ich schon seit langer Zeit geplant. Deshalb gab es in meinem Bücherschrank auch Einiges an Literatur zum Riesengebirge, nämlich drei Reiseführer sowie eine Wanderkarte.
Erst am Abend vor der Abreise hatte ich meinem 18jährigen Sohn Berthold mitgeteilt, dass ich am nächsten Tag über Prag ins Riesengebirge fahren werde. Obwohl er es nicht gern hat, wenn er solche Termine so kurzfristig erfährt, hat er nach kurzer Überlegung zugesagt, dass er mitfährt.

Fronleichnam, 10.06.2004: Abfahrt bei schönem Wetter in München Hbf um 07:47 (Bayernticket, 22 EUR). In Regensburg müssen wir umsteigen in den RE nach Prag, der aus weißen IC-Wagen gebildet wird. Längerer Aufenthalt in Schwandorf, der zum Einkaufen und Geldabheben genutzt wird. Außerdem wechseln wir das Abteil, weil sich nebenan eine Gruppe alkoholisierter Jugendlicher daneben benimmt. Nächster Lokwechsel in Furth im Wald. Dort auch Zugkreuzung mit dem Gegenzug; dadurch ergibt sich die Gelegenheit, das Bayernticket weiterzuverkaufen (gebe es ab für 10 EUR). Da in Furth im Wald kein Fahrkartenschalter geöffnet ist, müssen wir im Zug nachlösen. Die Fahrkarte für zwei Personen kostet bis Trautenau (Trutnov) 560 Kronen (ca. 19 EUR), also etwa soviel wie das Bayernticket. Mit dem Ausstellen der Fahrkarte (ab Böhmisch Kubitzen / Ceska Kubice) hat der Schaffner offenbar einige Mühe; erst während des Aufenthaltes in Pilsen kommt er mit der handgeschriebenen Fahrkarte vorbei.
Da die Reise ziemlich spontan angetreten wurde, komme ich erst unterwegs dazu, in den Reiseführer hineinzuschauen. Ausser dem böhmischen Teil des Riesengebirges sind zwei Touren in den Felsenstädten von Adersbach und von Wekelsdorf beschrieben. Den Namen Adersbach hatte ich schon gehört, wohl im Zusammnenhang mit einer Goethe-Biographie. Nun stelle ich fest, dass Adersbach n der Nähe von unserem Zielort Trautenau liegt, und so beschließe ich, am nächsten Tag erst mal nach Adersbach zu fahren.
10.06.2004 / WF
Berthold auf der Karlsbrücke in Prag
Wir steigen aus in Prag-Smichov. Vor dem Bahnhof werden die Straßenbahnschienen neu verlegt. In einer Wirtschaft essen wir billig zu Mittag, dann geht es über die Eisenbahnbrücke hinüber nach Vyserad und am Neustädter Rathaus vorbei zum Wenzelsplatz, dann am Ständetheater (Tyl-Theater) vorbei zum Altstädter Ring. Obwohl die Zeit schon knapp ist, gehen wir noch zur Karlsbrücke. Wegen der Menschenmassen kommt man nur langsam vorwärts. Auf Schritt und Tritt bekommt man Programmzettel für Konzertveranstaltungen aufgedrängt. Dann geht es schnell zurück zum Hauptbahnhof. Wir müssen rennen, um den Zug 16:43 nach Königgrätz (Hradec Kralove) - Nachod - Halbstadt (Mezimestí) zu erreichen.

Es geht längere Zeit ohne Halt zunächst durch die östlichen Stadtteile Prags mit vielen Verbrauchermärkten, dann durch die völlig flache Elbniederung nach Osten. Schließlich hält der Zug an, kurz danach schon wieder. Die Schaffnerin geht durch den Wagen und macht eine Durchsage; das hat nichts Gutes zu bedeuten. Viele steigen aus und versorgen sich am Bahnhofskiosk. Güterzüge fahren vorbei, aber unser Schnellzug bleibt stehen. Nach längerer Zeit geht es in sehr langsamem Tempo weiter. Mit einer Stunde Verspätung erreichen wir Königgrätz. Der Zug verläßt den Bahnhof in einer Rechtskurve und überquert die Elbe, mit schönem Blick auf die Türme der Stadt. Beim Blick auf die Karte stelle ich fest, dass wir nicht in die vorgesehene Richtung fahren. Ich spreche einen Fahrgast an und erfahre (auf Englisch), dass die direkte Strecke durch umgestürzte Bäume blockiert sei und wir deshalb einen Umweg fahren. Der Zug hält wieder in Tyniste nad Oristi. Etliche Fahrgäste steigen aus und gleich darauf wieder ein; offenbar ist das Informationschaos perfekt. Der Zug verlässt den Bahnhof in umgekehrter Richtung, jetzt mit einer Diesellok. Der Schaffner hat auf einen Zettel unsere Verbindung aufgeschrieben. Wir durchqueren Neustadt an der Mettau (Nove Mesto nad Metuji) und steigen als einzige Fahrgäste in Vaslavice (Wenzelsdorf) aus; unser Zug fährt weiter nach Nachod. Vom angegebenen Anschlusszug ist weit und breit nichts zu sehen. Der Bahnhof liegt völlig abseits, mit Blick auf einen großen See und Informationstafeln (auch auf Deutsch) zum preußisch-österreichischen Krieg von 1866; in der Nähe fanden Gefechte statt. Die Fahrdienstleiterin spricht muttersprachliches Deutsch und sagt uns, wir müssten nochmals umsteigen in Staroc, wenn wir nach Trautenau wollten. Kurz vor zehn kommen wir dann in Trautenau an, mit mehr als zwei Stunden Verspätung. Im Bahnhof schaue ich kurz, wann am nächsten Tag die Züge nach Wekelsdorf (Teplice nad Metuji, an der Mettau) abfahren.

Wir steuern eine Pension an; dort ist jedoch nachts um zehn niemand mehr zu erreichen. Berthold sagt, er werde im Freien schlafen und wolle lieber das dadurch eingesparte Geld bekommen. Obwohl ich dagegen bin, macht er sich selbständig. - Zwei weitere Übernachtungsanfragen verlaufen negativ. Schließlich lande ich im Hotel Patria, einem Hotelkasten aus sozialistischer Zeit an der Ausfallstraße Richtung Südost. Das Zimmer kostet mit Einzelbelegung 700, zu zweit 900 Kronen (mit Frühstück); für einen Euro bekommt man 30 Kronen. Daraufhin rufe ich Berthold auf dem Handy an, er solle ins Hotel nachkommen. Das dauert aber doch eine halbe Stunde. Inzwischen ist es zu spät zum Abendessen. Wir kaufen in der benachbarten Aral-Tankstelle Brötchen und Getränke und gehen schlafen.



11.06.2004 / WF
Bahnhof Adersbach (Strecke Trautenau - Wekelsdorf)
Freitag, 11.06.2004: Als wir um sieben aufstehen, gießt es in Strömen. Nach dem reichlichen Frühstücksbüffet wollen wir schnell weg, um den Zug um 08:15 nach Adersbach zu erreichen, werden jedoch von einem Hotelnachbarn, der seine frühere Heimat besucht, in ein Gespräch verwickelt und nochmals aufgehalten. So müssen wir stramm zum etwa zwei Kilometer entfernten Bahnhof marschieren.
Mit einem zweiachsigen Triebwagen fahren wir eine knappe Stunde bis Adersbach, obwohl die Entfernung nur etwa 25 km beträgt. Wegen des Regenwetters sind die Scheiben stark beschlagen. - Der Bahnhof ist von Felsen umgeben, und nahebei liegt das Kassenhäuschen. Pro Person sind 50 Kronen, knapp 2 Euro, zu bezahlen. Was man dann zu sehen bekommt, übertrifft jedoch alle Erwartungen, so eindrucksvoll sind die bis zu 40 m hohen Sandsteinfelsen und noch mehr die Felsschluchten. Sobald man in eine solche eintritt, wird es empfindlich kalt, und Anfang Juni liegt dort noch Schnee, in 500 m Höhe! - An diesem verregneten Werktagsmorgen sind kaum Leute in der sogenannten Felsenstadt, ausser einigen Schulklassen. Im hinteren Teil der Adersbacher Felsenstadt befindet sich ein See, nur etwa 200 m lang, der aber als große Attraktion mit Booten befahren wird; an diesem Vormittag ist der Betrieb wegen Wartungsarbeiten eingestellt.
Wir stellen fest, dass die Wekelsdorfer Felsenstadt nur einige Kilometer entfernt ist, und deshalb wandern wir direkt dorthin, anstatt zum Ausgang der Adersbacher Felsenstadt zurückzukehren. Es geht über Leitern, treppauf und treppab, dann über Bohlenwege durch ein wunderschönes Hochmoor, schließlich auch durch ein langweiliges Waldstück, bis uns wieder Besucher entgegenkommen.
11.06.2004 / WF
Berthold in der Felsenstadt von Wekelsdorf
Berthold will weiterhin absteigen, ich sage aber, wir sollten mal nachsehen, wohin das Volk drängt, und wir stellen fest, dass die Wekelsdorfer Felsenstadt noch eindrucksvoller als die von Adersbach ist. Am Wege gibt es einen Aufstieg über Leitern mit 320 Stufen zu einem Aussichtspunkt. Durch langsame Zeitgenossen wird man ausgebremst, und die Aussicht ist auch nicht gerade umwerfend. Ganz phantastisch ist jedoch der hintere Teil der Wekelsdorfer Felsenstadt, mit überhängenden Sandsteinfelsen und eiskalten Felsschluchten. - Gegen halb zwei verlassen wir das Gebiet. Auf dem Parkplatz stehen hauptsächlich polnische Autos. Wir warten am stark frequentierten Haltepunkt Teplice nad Metuji Skaly (Felsenstadt Wekelsdorf) auf den Zug nach Trautenau und fahren kurz vor zwei dorthin zurück.
Am Bahnhof in Trautenau stehen für alle vier Richtungen abfahrbereite Triebwagen, die dem Ruf der Tschechischen Bahn, das größte Eisenbahnmuseum Mitteleuropas zu sein, alle Ehre machen. Zum Riesengebirge geht es in Richtung Freiheit (Svoboda nad Upou). Die Strecke wird von einer Privatbahn bedient und ist auf dem Bahnhofsaushang nicht angegeben; der vollbesetzte Zug deutet jedoch daraufhin, dass er demnächst abfahren wird. Ich löse noch schnell zwei Fahrkarten, und kaum sind wir eingestiegen, geht die Fahrt schon los. Dadurch habe ich allerdings von der Stadt Trautenau kaum etwas gesehen. - Früher ging die Strecke weiter nach Johannisbad (Janske Lazne); jetzt ist schon nach zehn Kilometern in Freiheit Endstation, und Richtung Riesengebirge geht es mit dem Bus weiter. Als nächster Bus kommt zufällig die Fernverbindung in Süd-Nord-Richtung quer durch die Tschechische Republik, von Krummau im Böhmerwald über Budweis und Tabor nach Petzer (Pec pod Snezkou). Petzer ist ein großer Fremdenverkehrsort, und darüber hinaus führt keine Straße. Als Wahrzeichen steht ein Hochhaus, ein ehemaliges sozialistisches Hotel.
11.06.2004 / WF
Riesengrundbaude mit Brunnberg (1554 m)
Da wir bisher wegen der knappen Zuganschlüsse keine Zeit zum Essen hatten, kehren wir jetzt ein, zwischen vier und fünf am Nachmittag. Wenn man um diese Zeit zum Essen geht, hat man auch gleich das Abendessen mit erledigt. Der Ort ist sehr touristisch, und im Restaurant wird hauptsächlich deutsch gesprochen. - Inzwischen hat es aufgehört zu regnen, und man hat einen schönen Blick auf hohe Berge, auf denen teilweise noch Schnee liegt. - Um fünf sind wir fertig und ziehen los in Richtung Riesengrund. Nach einer halben Stunde kommen wir in der Nähe der Talstation der Seilbahn vorbei, die in zwei Sektionen zur Schneekoppe führt. Tatsächlich wird noch um sechs und um sieben eine Fahrt angeboten, allerdings nur auf der ersten Sektion. Da es bis zu Abfahrt noch eine Viertelstunde dauert, verzichten auf die Seilbahn und gehen an der Mamabaude vorbei zurück zum Riesengrund, dem obersten Aupatal zwischen Schneekoppe und Brunnberg, dem zweithöchsten Gipfel des Riesengebirges. An der Riesengrundbaude vorbei kommen wir zur Riesengrundkapelle; diese wurde um 1900 von den Grafen Schaffgotsch, damals Großgrundbesitzer in diesem Gebiet, zur Erinnerung an die sieben Personen errichtet, die bei einem Bergrutsch ums Leben kamen.
11.06.2004 / WF
Berthold im Riesengrund, mit Schneekoppe

Schließlich verläßt der Wanderweg den Talgrund. In gleichmäßiger Steigung geht es hinauf zum Schlesierhaus, schon jenseits der Grenze kanpp 1400 m hoch gelegen, einer riesigen Baude, die wir gegen halb acht erreichen. Eigentlich hatten wir vor, dort oben zu übernachten, aber die Baude ist nicht geöffnet. Wir sehen zwei Soldaten näherkommen. Es handelt sich um polnische Grenzschützer; einer spricht ein bisschen deutsch, und wir erfahren von ihm, dass man auf der Schneekoppe übernachten könne. Bei schönem Wetter wandern wir eine dreiviertel Stunde hoch zur Schneekoppe. Die böhmische Baude ist eine Ruine, die aus Naturschutzgründen abgerissen werden soll. Fehlanzeige auch bei der polnischen Baude, mehreren ineinandergeschachtelten Rundbauten aus den Achtziger Jahren, welche an ein UFO erinnern: es gibt nur ein Restaurant und ein Observatorium, aber keine Übernachtungsgelegenheit!
Zum Glück liegt nicht allzuweit entfernt die Wiesenbaude (Lucni bouda), die größte Baude des Riesengebirges mit 330 Schlafplätzen, in Böhmen gelegen. Wir nehmen diesmal den Steilabstieg zum Schlesierhaus; aus dem Fenster schaut jemand heraus, gibt aber keine Antwort auf unsere Frage, ob wir übernachten könnten. Wir überqueren wieder die Grenze und wandern auf Bohlenwegen durch Hochmoore zur Wiesenbaude.
11.06.2004 / WF
Schlesierhaus mit Schneekoppe (1602 m)
Wir freuen uns, dass in einigen Fenstern Licht brennt. Um halb zehn sind wir dort. Leider stellt sich auch hier heraus, dass der Laden nicht geöffnet hat. Zwei Männer werkeln herum, sind aber wenig hilfsbereit und verweisen nur auf die zwei km entfernte Geiergucke-Baude (Vyrovka). Dort gäbe es vielleicht Übernachtungsgelegenheit; wir hätten einfach telefonieren sollen. - Wie denn, wenn man die Lokalitäten überhaupt nicht kennt, und dann noch auf tschechisch? - Inzwischen sind wir schon sehr skeptisch geworden. Auf einer Teerstraße geht es nochmals bergauf zu einer Kapelle zum Gedenken an die Opfer, die im Riesengebirge erfroren sind. Auf dem Kamm ist erstmals die Geiergucke-Baude zu erblicken. Der Name rührt daher, dass dort früher die Zöllner wie die Geier nach Schmugglern Ausschau gehalten haben. - Es geht weiterhin auf Asphalt durch meterhohe Schneewehen. Dann die ultimative Enttäuschung: auch dieser Betrieb hat zu! - Inzwischen ist es Nacht geworden, und wir geben auf. In einzelnen Zimmern flimmern Fernsehapparate, aber es gibt keine Klingel, und auf meine Rufe antwortet niemand. So machen wir uns daran, im Windfang des Hotels zu übernachten. Berthold hat Ausrüstung dabei, ich nicht. Er gibt mir seine Isomatte und verkriecht sich in seinen Schlafsack. Ich ziehe alles über, was ich dabei habe, und muss trotzdem sehr frieren. Es bläst ein eiskalter Wind übers Gesicht, der mich am Einschlafen hindert.



Samstag, 12.06.2004: Nachts um drei stehe ich auf und gehe eine Zeitlang auf und ab. Gegen vier wird es schon wieder langsam hell. Seltsamerweise hat man aber keine Lust aufzustehen und schläft, wenn überhaupt, am besten am frühen Morgen. Gegen sechs setzt heftiger Regen ein; auch unter dem Windfang werden wir nass. Wir bleiben bis sieben Uhr liegen. Inzwischen sind wir in dichtem Nebel. Übermüdet und durchfroren machen wir uns auf den Weg zurück zur Wiesenbaude.
Dort gibt es einen Getränkeautomaten. Ich werfe einige Münzen ein, die jedoch alle durchfallen. Einer der beiden freundlichen Menschen, die uns gestern Abend in die Nacht hinaus geschickt haben, bemüht sich um den Automaten, manipuliert daran herum und holt immer wieder andere Geldstücke, aber alles vergeblich. Ohne Kaffee ziehen wir weiter; offenbar ist es auch bei geöffnetem Automaten nicht möglich, diesen zur Ausgabe einer Tasse Kaffee zu veranlassen.
12.06.2004 / WF
Blick vom Mädelkamm zum Hohen Rad (1509 m) und zur Schneegrubenbaude

Wieder überqueren wir die Grenze. Während auf der tschechischen Seite die Beschriftungen meist auch in Deutsch abgefasst sind, findet man diese jenseits der Grenze nur auf Polnisch, zusätzlich manchmal noch in Englisch, aber kaum auf Deutsch. - Bald erreichen wir den Kammweg, welcher ein einer Länge von etwa 30 km auf dem Hauptkamm des Riesengebirges verläuft. Das Gebirge fällt auf der schlesischen Seite steil ab. Der Weg verläuft unmittelbar am Steilabfall, aber von den unten liegenden Seen, dem Großen und dem Kleinen Teich, ist zunächst nichts zu sehen. Dann öffnet sich doch eine Wolkenlücke, und wir können einen Blick werfen auf den Kleinen Teich mit der Kleinen Teichbaude und der weiter oberhalb gelegenen Hampelbaude.
12.06.2004 / WF
Schneegruben mit Schneegrubenbaude
Vielleicht hätte es dort eine Übernachtungsmöglichkeit gegeben? - Inzwischen sind einige Wanderer unterwegs. Der Weg führt an einer auffälligen Gruppe von Granitfelsen vorbei, dem Burgstein. Schließlich geht es abwärts zum Pass an der Spindlerbaude. Von der böhmischen Seite her ist der Pass auf einer öffentlichen Straße erreichbar. Auf der schlesischen Seite ist die Straße dagegen gesperrt. Auf der polnischen Seite kehren wir gegen halb elf ein zum Frühstück. Dann geht es auf dem Kammweg weiter, zunächst längere Zeit aufwärts, an vielen Felsgruppen vorbei. In der Ferne wird die Schneegrubenbaude sichtbar. Die meisten Gipfel sind unter dem Vorwand "Naturschutz" gesperrt, so auch das Hohe Rad. Dort befand sich ein Standbild von Kaiser Wilhelm I.; die Schneekoppe war der höchste Berg in Preußen und bekam deshalb gelegentlich königlichen Besuch. Vom Standbild ist nur der Sockel erhalten.
Eindrucksvoll ist der Blick in die Schneegruben. Es sind jetzt Massen von Touristen unterwegs. Diese Gegend ist durch die Seilschwebebahn erschlossen, die vom schlesischen Schreiberhau zum Reifträger heraufführt; von dort ist es dann noch eine gute Stunde bis zur Schneegrubenbaude.
Inzwischen ist es zwei Uhr mittags geworden, und wir haben Hunger. Aber auch diesmal Fehlanzeige: die Schneegrubenbaude entpuppt sich als Fernsehsender. Nicht einmal einen Imbiss gibt es dort.
12.06.2004 / WF
Bauruine der Elbfallbaude
12.06.2004 / WF
An der Elbquelle (1386 m)
Um etwas zum Essen zu bekommen, machen wir auf dem Weg zur Elbquelle den Umweg über die Elbfallbaude. Dabei handelt es sich um einen riesigen Neubau, welcher sich beim Näherkommen als Bauruine entpuppt, welche die ansonsten unberührt wirkende Landschaft im weiten Umkreis verschandelt. Die Wanderer zwingt man durch Wegsperrungen und kleinliche Betretungsverbote zu Umwegen, aber solche Bausünden sind dann doch möglich. - Auch diesmal hatten wir uns vergeblich auf die böhmische Küche gefreut. Es gibt lediglich einen Kiosk, und zum Essen sind nur Bockwürste im Angebot. Diese werden einzeln abgewogen, was die langen Wartezeiten vor dem Kiosk erklärt. - Wir verlassen den ungastlichen Ort und erreichen nach zehnminütiger Wanderung die Elbquelle. Die Wasserschüttung ist bescheiden, aber die Quelle wurde eingefasst und mit den Wappen von Städten verziert, die an der Elbe liegen, von Hohenelbe bis Cuxhaven. Danach kommen wir nochmals nach Schlesien. Im Reifträgerhaus (Srenica) oberhalb von Schreiberhau bekommen wir endlich etwas zu essen. Von dort aus hat man einen schönen Blick über den ganzen Kamm des Riesengebirges bis zur etwa zwanzig km entfernten Schneekoppe.
12.06.2004 / WF
Auf dem Reifträger oberhalb von Schreiberhau:
Blick zur Schneegrubenbaude

Es bleibt der Abstieg nach Harrachsdorf (Harrachov). Es geht einen Kilometer zurück, dann rechts abwärts über die Grenze zur Wosseckerbaude (Vosecka bouda). Diese ist bewirtschaftet, aber im Moment brauchen wir nichts. Der Weg führt anderthalb Stunden lang auf einer Asphaltstraße, allerdings immer an einem Fluss entlang, der Mummel, die in schönen Wasserfällen über Granitfelsen viel Höhe verliert. - Kurz nach sieben erreichen wir Harrachsdorf. Weil der Bahnhof weit außerhalb liegt und wir am nächsten Tag schon um acht Uhr losfahren müssten, versuche ich, heute noch ein Stück weiterzukommen, und tatsächlich fährt um halb acht noch ein Bus über Tannwald nach Gablonz, wo wir eine Stunde später ankommen. Auf dem Marktplatz mit dem eindrucksvollen Rathaus (erbaut 1931 - 33) erkundige ich mich nach einem Hotel, und der Hinweis auf das abseits vom Geschäftszentrum gelegene Hotel erweist sich als guter Tipp. Für 920 Kronen, 31 EUR, bekommen wir ein Doppelzimmer.
13.06.2004 / WF
Gablonz a.d.Neisse, Theater
Berthold geht gleich unter die Dusche; ich mache, solange es noch hell ist, einen kurzen Rundgang durch die Stadt; keine historische Stadt, sondern ursprünglich ein Industriedorf, welches erst gegen 1860 die Stadtrechte bekam. Sehenswert ist außer dem Rathaus das Stadttheater im Sezessionsstil. - Wir können in unserem Hotel zu Abend essen und gehen danach nicht mehr weg.


Sonntag, 13.06.2004: Obwohl wir zeitig aufstehen, fehlt uns die Zeit zu einem Stadtrundgang, weil wir ziemlich lange auf das Frühstück warten müssen; es gibt diesmal kein Frühstücksbüffet, sondern eine Menükarte fürs Frühstück. An der Post, die einst die fünftgrößte in der Monarchie gewesen sein soll, geht es zur Endstelle der Straßenbahn. Diese verkehrt als Linie 11 der Reichenberger Straßenbahn auf eingleisiger schmalspuriger Strecke als Überlandstraßenbahn zwischen den beiden Städten.
13.06.2004 / WF
Rathaus in Zittau
13.06.2004 / WF
Schmalspurbahn nach Oybin / Bertsdorf in Zittau Lokalbahnhof
Bis 1965 hatte Gablonz einen eigenen Straßenbahnbetrieb; in der Einkaufsstraße liegen noch einige Schienen. Nach gut halbstündiger Fahrt erreichen wir in Reichenberg den zentralen ÖPNV-Knotenpunkt "Fügnerova". Im Gegensatz zur Gablonzer Linie sind die anderen Straßenbahnen normalspurig, und dementsprechend liegt auf einigen Abschnitten ein Dreischienengleis. Uns bleibt eine knappe Stunde Zeit für die Stadtbesichtigung: Schloss, Stadttheater und neugotisches Rathaus, welches an das Wiener Rathaus erinnert. Der Bahnhof liegt etwa einen Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Berthold geht in einen Supermarkt, welcher auch sonntags geöffnet hat, um eine Flasche Wasser zu kaufen. Das kostet wieder Nerven, weil er erst kurz vor Zugabfahrt am Bahnhof ankommt. Dort gibt es noch ein anderes Problem: in der Abfahrtstafel ist unser nächstes Ziel, Zittau, nirgends angegeben. Stattdessen gibt es zu unserer vorgesehenen Abfahrtszeit einen Zug nach Rybniste (Teichstatt); von diesem Ort habe ich noch nie gehört. Vom Bahnpersonal erfahren wir, dass der Zug nach Zittau fährt. Unterwegs müssen wir in Grottau (Hradec nad Nisou) nochmals das Fahrzeug wechseln. Der vordere Zugteil fährt als Korridorzug über polnisches und deutsches Gebiet weiter nach Warnsdorf und Teichstatt.
13.06.2004 / WF
Dresden, Brühlsche Terrasse mit Frauenkirche
13.06.2004 / WF
Dresden, Zwinger
In Zittau steigen wir aus, gehen am Bahnsteig durch die Zollkontrolle und haben eine knappe Stunde Zeit für die Stadtbesichtigung. Drei Minuten vor Abfahrt unseres Zuges nach Dresden (11:35) fährt vom Lokalbahnhof aus der Dampfzug ins Zittauer Gebirge ab. Ich will die Abfahrt fotografieren und gehe dann schleunigst zu unserem Zug. Berthold ist schon vorausgegangen, aber nur bis zum Bahnsteig, und als wir zum Zug kommen, sind gerade die Türen zugegangen und lassen sich wegen TAV (Technikbasiertes Abfertigungsverfahren) nicht mehr öffnen. Ich renne nach vorne und mache mich beim Triebwagenführer bemerkbar, woraufhin die Türen nochmals freigegeben werden.
Die Fahrt nach Dresden-Neustadt durch die Oberlausitz dauert knapp zwei Stunden. In Dresden haben wir zwei Stunden Zeit für den Fußweg zum Hauptbahnhof. In dieser Zeit lassen sich die bekanntesten Sehenswürdigkeiten zumindest von außen besichtigen. Als wir an der Baustelle der Frauenkirche vorbeikommen, beginnt dort gerade eine Führung, aber schon um 15:48 hat man die letzte Rückfahrtmöglichkeit mit dem Nahverkehrstarif nach München, und deshalb können wir nicht teilnehmen. Vor der Frauenkirche steht die Spitze der Kuppel, die wenige Tage später in einer bundesweit beachteten Aktion aufgesetzt wird. Nach Besichtigung der Neustadt, der Brühlschen Terrasse, von Schloss und Zwinger geht es durch die Prager Straße zum Hauptbahnhof; anschließend zwei Stunden Bahnfahrt nach Zwickau. Dort kommt man erst nach anderthalb Stunden weiter. Deshalb fahren wir mit der Vogtlandbahn nach Zwickau Zentrum. Wir machen einen Spaziergang durch die Stadt. Mangels einer passenden Zugfahrt müssen wir den weiten Weg zum Hauptbahnhof (Länge der Bahnhofstraße ab Innenstadtrand: 1200 m!) zu Fuß zurücklegen. Innerhalb einer Viertelstunde fährt nicht mal ein Bus an uns vorbei. Die Straßenbahn zum Bahnhof verkehrt nur noch unter der Woche! Mit einem Neigetechnik-Zug VT 612 geht es in schneller Fahrt nach Hof. Erstmals, seitdem wir zurück in Deutschland sind, werden wir kontrolliert. Wir benutzen die Fahrkarte von Reichenberg nach Zittau, für welche wir zusammen 65 Kronen (2 Euro) bezahlt haben, als deutsch-tschechisches Freundschaftsticket zur Fahrt bis Regensburg. Der Schaffner sagt, dies gelte nur für tschechische Staatsbürger, lässt es aber durchgehen. Im Prospekt (von 2002), den wir allerdings nicht dabei haben, gibt es keinen diesbezüglichen Hinweis. Auch bei der Fahrkartenkontrolle im Zug von Hof nach Regensburg gibt es keine Probleme. So gelangen wir zu zweit für 2 Euro von Reichenberg bis Regensburg.

13.06.2004 / WF
Zwickau, Rathaus (rechts) mit Gewandhaus

Dort beim Umsteigen halte ich Umschau nach Reisenden, die offenbar gemeinsam unterwegs und damit verdächtig sind, mit einem Bayern- oder Wochenendticket zu reisen; Einzelreisende sind eher mit dem Bayernticket Single unterwegs, und es lohnt sich daher nicht, diese anzusprechen. - Ich spreche also ein Paar an und frage, ob die beiden eventuell mit Bayernticket unterwegs seien und wir uns daran beteiligen könnten. Die beiden haben sich ihrerseits aus selbigem Grund bereits einer jungen Dame angeschlossen, und die Dame lässt uns gerne noch "andocken", nachdem ich ihr einen Zehn-Euro-Schein hinhalte. Damit haben wir zwar anteilsmäßig sogar zuviel bezahlt für das Bayernticket (22 Euro), aber immer noch viel weniger, als die "Die Bahn" für die Strecke Regensburg - München verlangt hätte: EUR 21.60 für zwei Personen mit BahnCard 25, also fast soviel wie ein Bayernticket. Ohnehin hätten wir mit einem Wochenendticket (im Vorverkauf, jedoch nicht in Reichenberg erhältlich) für 28 Euro ganz regulär von Reichenberg nach München fahren können; der Billigtarif bis Regensburg hätte also überhaupt nichts gebracht, wenn man die Reststrecke regulär bezahlt hätte. - Pünktlich um 0:22 sind wir zurück in München Hbf.

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